„Der 2. Weltkrieg und seine Auswirkungen auf unsere Biografien“

„Wie bin ich die geworden, die ich heute bin?“ war die spannende Frage in der Tagungsausschreibung des Pfarrfrauenforums (Pfarrfrauendienst der EkvW), der die Frauen nachgehen wollten, die ins Matthias-Claudius-Haus in Meschede-Eversberg gekommen waren. Die meisten der Frauen von Pfarrern im Ruhestand waren während des Krieges, also zwischen September 1939 und Mai 1945 geboren. Nur eine der Teilnehmerinnen war schon drei Jahre vor Kriegsausbruch geboren und eine kurz nach Kriegsende – „Noch Kriegsproduktion, aber Nachkriegsauslieferung!“, wie sie scherzhaft bemerkte.

Als Referent hatte das Pfarrfrauenforum Karl Brunssen gewinnen können. Seine Ausbildung als systemischer Familientherapeut, Supervisor und Kommunikationstrainer kamen ihm beim Umgang mit dem sehr sensiblen Thema zugute. Auch hatten die Teilnehmerinnen schon vor der Tagung Fragebögen erhalten, mit deren Hilfe sie sich in das Thema einarbeiten konnten. Die Tagung sollte den Frauen helfen, ihren eigenen Werdegang besser zu verstehen, indem sie – mit Hilfe des Referenten – ihren familiären Wurzeln nachgingen.

Karl Brunssen betonte einleitend, dass es den meisten Menschen, die in der Kriegszeit geboren oder aufgewachsen sind, gar nicht bewusst sei, wie sehr dieser Krieg und seine Nachwirkungen ihr Leben beeinflusst und geprägt haben. Seit etwa 5 Jahren gebe es eine intensive Beschäftigung mit dem Thema, nachdem viele der Menschen der betreffenden Jahrgänge im Ruhestand seien und manche von ihnen sich erst jetzt mit der Last auseinandersetzen, die in ihrem Unterbewusstsein über Jahrzehnte hinweg gespeichert war.

Sehr intensiv war für die Teilnehmerinnen die Beschäftigung mit der eigenen Vergangenheit im Zusammenhang der Familiengeschichte. Karl Brunssen machte mit einzelnen der Frauen Familienaufstellungen, denen jeweils noch das Erstellen eines Genogramms vorausging. Im Unterschied zu einem Stammbaum wird beim Genogramm auch nach Totgeburten, schweren Erkrankungen, frühen Todesfällen und anderen Schicksalen in der Familie gefragt, da all dies bedeutungsvoll für andere, auch später geborene, Familienmitglieder sein kann, selbst wenn es diesen verheimlicht wird.

Bei der Familienaufstellung wurden andere Teilnehmerinnen an Stelle der Familienmitglieder im Raum aufgestellt, wobei deren Beziehung zueinander auch räumlich dargestellt wurde. Da gab es manches Aha-Erlebnis, wenn durch diese Art der Darstellung einer Frau klar wurde, was sie bisher nie verstanden hatte. „So habe ich das noch nie gesehen. Das hilft mir sehr, das Verhalten meiner Mutter besser zu verstehen!“ war eine für solch späte Einsicht typische Aussage. Bei anderen durften Tränen fließen, wenn ihnen klar wurde, dass sie etwa einen Verlust niemals betrauert hatten, weil ihnen von den Eltern früh schon direkt oder indirekt „Vergessen“ befohlen wurde oder sie selbst das Erlebte verdrängt hatten.

Karl Brunssen bezeichnete diese Arbeit mit und an der eigenen Vergangenheit als Geschenk an die nachfolgende Generation: „Eltern geben ihre unerledigten Themen und Konflikte an ihre Kinder weiter“, so der Referent.
Bei einem so schwierigen und in die Tiefe gehenden Thema war es wichtig, dass jede Teilnehmerin sich im Kreis der anderen aufgehoben fühlte. Dass dies der Fall war, zeigte bei der Feedback-Runde die große Zustimmung, die die Aussage einer Teilnehmerin  bekam: „Ich danke Euch allen für die vertrauensvolle Atmosphäre. Und ich fand es sehr wohltuend,
wie liebevoll alle hier miteinander umgegangen sind“.